"Leichen überall"
Zwischen entstellten Kinderleichen sucht G. Sharda den ganzen Montag lang nach ihren beiden Söhnen - erfolglos. Als die braune Wasserwand sich am Sonntag aus dem Ozean erhebt, gelingt es der Witwe nur noch, ihre Tochter zu packen und davonzurennen. Die Jungs haben am Strand im südostindischen Cuddalore eben noch Kricket gespielt. Das Wasser verschluckt die Kinder und tausende andere Menschen in Asien. Viele werden als Leichen wieder angespült. Stündlich steigt die Zahl der Toten. Die Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen sprechen von einer "Katastrophe ohne Beispiel".
In Cuddalores Krankenhaus und der Leichenhalle gibt es keinen Platz mehr für die Toten, Leichen liegen auf den Fluren herum. "Sie haben die Kinder übereinander gestapelt", sagt Sharda weinend. "Ich musste sie hochheben, um zu sehen, ob meine Söhne darunter sind." Viele Leichen seien nach der langen Zeit im Wasser bis zur Unkenntlichkeit entstellt gewesen. "Überall sind Fliegen, und es riecht fürchterlich." Weil die Leichen in dem feucht-heißen Klima verwesen und die Angst vor Seuchen umgeht, kommt es in Caddalore am Montag zum ersten Massenbegräbnis von Kindern.
Bilder des Grauens auch in den anderen betroffenen Ländern: "Es ist unmöglich, die Leichen zu zählen", sagt ein Reporter im indonesischen Aceh. "Sie sind überall verstreut." Augenzeugen berichten von Toten, die im Geäst hängen, nachdem sich das Wasser zurückzieht. In Sri Lanka beginnen die Behörden, die Leichen zu fotografieren - sie wissen nicht, ob die Toten identifiziert werden können, bevor sie verwesen. Platz in den Leichenhallen gibt es auch in Sri Lanka nicht mehr. Das Land, das bis zur Katastrophe als Urlaubsparadies galt, ist von ihr am schlimmsten betroffen.
Touristen, die Weihnachten unter Palmen verbringen wollen, bekommen stattdessen einen maßlosen Schock - wenn sie überleben, einige werden von den Fluten in den Tod gerissen. Manche der Urlauber liegen im Liegestuhl, als die Flutwelle gegen 9.45 Uhr anrollt. "Meterhohe Wellen überfluteten den Hotelgarten und drückten tonnenschwere Abwasserrohre hinein", sagt eine deutsche Touristin rund 45 Kilometer südlich von Colombo. Dann kam die zweite Welle. Es sei wie Ebbe und Flut gewesen - "bloß im Zeitraffer, viel, viel schneller", erinnert sie sich. "Ich hatte nur noch Angst."
Am Flughafen in Colombo warten Urlauber aus Leipzig in Badelatschen auf den Flug raus aus dem Katastrophengebiet, sie haben das, was sie retten konnten, in Plastiktüten gepackt. Die Touristen berichten von drei Wellen hintereinander, die letzte sei mit rund fünf Metern die höchste gewesen - und nach der ersten hätten sich anscheinend viele Urlauber wieder in Sicherheit gewogen. Zwei Menschen im Hotel seien gestorben. Kritik üben die Touristen daran, dass es kein Warnsystem gab und keine Evakuierung - schließlich sei es zu dem Seebeben Stunden vor den tödlichen Wellen gekommen.
"Das ist so unwirklich - gestern waren wir noch sorglos im Strandurlaub", sagt die Malaysierin Chin Su Li, die mit ihrer Familie gerade noch rechtzeitig die Flucht ergreifen kann. "Die Wellen waren wie eine riesige graue Mauer, ich habe so etwas noch nie gesehen ", sagt die 39-Jährige. "Es war der erschreckendste Anblick." Der 19-jährige Mohamad Saufi Hassan überlebt, weil er sich an einen Baum klammern kann. Seine Mutter und seine beiden Schwestern werden davongespült - mitten beim sonntäglichen Picknick.
In den Katastrophengebieten geht die Angst vor einer Wiederholung des Horrors um. Das meteorologische Institut in Indien hat vor Nachbeben und neuen Flutwellen gewarnt. Die Bewohner der indischen Ostküste wurden aufgefordert, sich bis Mittwoch mindestens zwei Kilometer entfernt vom Strand aufzuhalten. Sharda will dem Aufruf nicht folgen. Sie werde die nächsten beiden Tage am Strand warten, sagt sie - um zu sehen, ob ihre Söhne nicht doch noch zurückkommen.
Quelle.
Zehntausende werden nach der Flutkatastrophe noch vermißt
Opferzahlen steigen stetig. Meldung über hunderte deutschsprachiger Opfer in Khao Lak. UN warnt vor dem Ausbruch von Seuchen. Baby überlebt auf einer schwimmenden Matratze
Auch zwei Tage nach der Flutkatastrophe in Asien ist das Ausmaß der Tragödie noch immer nicht absehbar. Die Zahl der bestätigten Erdbebenopfer beträgt rund 45.000 Tote. Allein in Indonesien gibt es inzwischen behördlich 19.000 bestätigte Tote. Der indonesische Vizepräsident, Yusuf Kalla, rechnet allein in seinem Land bis zu 25.000 Menschen. Tausende Menschen werden noch vermisst, darunter auch zahlreiche Touristen. Nach Angaben der Reiseveranstalter hielten sich etwa 8000 deutsche Touristen in den Gebieten auf.
Hunderte deutschsprachige Opfer in Khao Lak?
Durch die Flut sind nach Angaben des Senders N24 möglicherweise hunderte deutschsprachige Gäste eines Hotels im thailändischen Khao Lak getötet worden. Der Hotel-Chef habe bestätigt, dass 200 bis 300 seiner Gäste bereits tot geborgen seien, die übrigen würden noch vermisst, berichtete der Sender. Insgesamt seien in dem Hotel etwa 500 Gäste gewesen, davon etwa 80 Prozent aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Beim Auswärtigen Amt in Berlin war zu dem Bericht auf Anfrage zunächst keine Stellungnahme erhältlich.
Unterdessen bereiteten sich die Vereinten Nationen auf einen beispiellosen multinationalen Hilfseinsatz vor. Der UN-Untergeneralsekretär für humanitäre Hilfe, Jan Egeland, sagte bei einer Pressekonferenz in New York, die Hilfsoperationen könnten viele Milliarden Dollar kosten. Die UN forderte deshalb alle Staaten, die zur Hilfe in der Lage sind, großzügig finanzielle Mittel und Hilfsgüter bereitzustellen. Nach den Worten von Egeland sind Millionen von Menschen von Krankheiten infolge der Schäden und Verwüstungen bedroht. Das Trinkwasser sei für Millionen Menschen ungenießbar. Egeland befürchtete, daß die Zahl der Todesopfer der verheerenden Flutkatastrophe in Südasien noch erheblich steigen wird. „Wir müssen davon ausgehen, daß viele der tausenden Vermißten tot sind“.
Zehntausende Vermißte an der Küsten von Indien und Sri Lanka
Die Zahl der Toten in Sri Lanka und Indien ist weiter angestiegen. Nach offiziellen Angaben starben in Sri Lanka mehr als 18.500 Menschen. In Indien sind nach Angaben des staatlichen Fernsehens rund 9500 Todesopfer zu beklagen. Allein auf den Inseln Andaman und Nicobar in der Bucht von Bengalen wurden 3000 Todesopfer beklagt. Dort sollen noch 30.000 Menschen vermißt werden.
Am schlimmsten betroffen sind arme Fischerdörfer an den Küsten Südindiens und Sri Lankas. Mindestens ein Drittel der Toten sind Kinder. Die Vereinten Nationen sprachen von einer „Katastrophe ohne Beispiel“. „Dies ist eine große menschliche Katastrophe“, sagte auch Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) in Berlin. Aus der schwer betroffenen indonesischen Provinz Aceh berichteten Reporter von Dutzenden von Leichen entlang der Straßen. Rettungskräfte in Aceh bargen Opfer unter Trümmern. Augenzeugen sahen Leichen auf Bäumen und zwischen Felsen hängen. Auch auf den Stränden im Südosten Indiens türmten sich Leichen und Tierkadaver.Anwohner bereiteten Massenbestattungen vor. „Wir haben Leichen aus dem Sand gezogen, die Zerstörung ist unvorstellbar“, sagte Pater Arputham, der im Auftrag der Malteser in Indien Soforthilfe leistet.

Unter den Toten sind auch viele hundert Touristen. In Sri Lanka kamen mindestens vier Deutsche ums Leben. Das Auswärtige Amt, das einen Krisenstab eingerichtet hat (Hotline: 030 5000 1000), machte noch keine offiziellen Angaben über Tote und Verletzte aus Deutschland. Mindestens 6400 deutsche Urlauber hielten sich in der Region auf. Auch Dutzende anderer Europäer, darunter Briten, Franzosen und Italiener. Auch acht US-Bürger kamen ums Leben, hunderte wurden noch vermißt. In Tokio wurde am Dienstag der Tod zweier Japaner - eine Frau und ein 8-jähriger Junge - bestätigt.
Thailands Regierung geht nach offiziellen Angaben davon aus, daß die Zahl der Toten über 2000 steigen wird. Der stellvertretende thailändische Innenminister Sutham Saengpratoom sagte nach einem Flug über die Buchten von Khao Lak, dort habe er über 1000 Leichen gesehen, die bisher nicht hätten geborgen werden können. Vom Augenschein her müsse befürchtet werden, daß die Totenzahl über 2000 steigen werde.
Die offizielle Totenzahl in Thailand wurde bisher mit 1516 angegeben, wobei 200 davon Thailänder sein sollen, der Rest ausländische Besucher. Um die Toten rasch unter die Erde zu bekommen, werde von den Hilfsmannschaften inzwischen schweres Räumgerät eingesetzt, hieß es. Die rasche Beseitigung der Toten und tierischen Kadaver ist eine Voraussetzung dafür, daß ein drohender Ausbruch von Seuchen durch verunreinigtes Trinkwasser in den Katastrophengebieten vermieden werden kann.
Die französische Hotelgruppe Accor hatte am Montag mitgeteilt, sie habe bis zum Abend keine Nachrichten über das Schicksal von 500 Touristen und Angestellten in seinem Sofitel-Hotel am Strand von Khao Lak in Süd-Thailand. Über die Anzahl und Nationalität der in Thailand und Sri Lanka ums Leben
gekommenen ausländischen Touristen gab es am Dienstagmorgen noch keine zuverlässigen Informationen.
Angst vor Seuchen
Inzwischen begannen groß angelegte, internationale Hilfsaktionen.In den von den Wassermassen zerstörten Gebieten drohen vielerorts Seuchen. Während die Aufräumarbeiten in vollem Gang waren, standen Hunderttausende von Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz. Meteorologen warnten derweil vor Nachbeben und weiteren gefährlichen Flutwellen. Während die internationale Hilfsaktion für Obdachlose und Verletzte anlief, warnten die UN vor einem Ausbruch von Seuchen.
„Eine solches Ausmaß hat es zuvor noch nie gegeben“, sagte eine Sprecherin in Genf. Hunderte von Helfern sowie dringend benötigte Geräte und Medikamente wurden am Montag mit Flugzeugen aus aller Welt auf den Weg gebracht. Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Föderation (IFRC) bat um Spenden zunächst in Höhe von umgerechnet fast fünf Millionen Euro. Die Bundesregierung sagte eine Million Euro zu, die Europäische Union versprach drei Millionen Euro Soforthilfe, aus den USA kommen 11 Millionen Euro.
Kleines Wunder
Ein zwanzig Tage altes Baby hat die Flutkatastrophe in Malaysia wie durch ein Wunder überlebt. Tulasi schlief in einem Raum im Restaurant ihrer Eltern, als die gewaltige Tsunami den Ferienort Penang im Norden des Landes überflutete. Ihrer Eltern wurden von den Wassermassen aus dem Gebäude gerissen. Stunden später gelang es ihnen, zu ihrem schwer beschädigten Restaurant zurückzukehren. Im Schlafraum fanden sie ihr Baby: „Tulasi lag weinend auf einer Matratze. Diese schwamm im etwa anderthalb Meter tiefen Wasser“, erzählte der Vater der malaysischen Nachrichtenagentur Bernama.
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Spenden statt Böller.
Seebeben: Beispiellose Hilfsaktion angelaufen
Nach dem verheerenden Seebeben in Südasien arbeiten die Hilfsorganisationen auf Hochtouren. Weltweit rufen sie zum Spenden auf. Regierungen sagten bereits Millionen Euro Soforthilfe zu, die Schäden gehen in die Milliarden. Auch ein kleiner Beitrag kann schon helfen.
Verzweiflung über die Zerstörungen der Flutwelle in Indien (Foto: Reuters)
Hilfe schon für einige Euro
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen rechnet vor, schon für 100 Euro über 11.000 Tabletten zur Wasserreinigung bereitstellen zu können - eine Tablette reicht für bis zu fünf Liter Trinkwasser. Für 15 Euro können 200 Päckchen so genanntes Rehydratationssalz verteilt werden. Es schützt Kinder vor dem Austrocknen bei schwerem Durchfall. Das Rote Kreuz kann für rund 200 Euro ein Zelt in einem Flüchtlingslager bereitstellen, um einer Familie eine Unterkunft zu geben. Transport- und Verwaltungskosten sind jeweils eingerechnet. Generell fließt bei Unicef oder dem Roten Kreuz rund ein Zehntel der Spenden in Verwaltungskosten.
Tausende Helfer im Einsatz
Die Hilfe werde direkt vor Ort geleistet, erklärten Sprecher der beiden Hilfsorganisationen im Gespräch mit T-Online. Zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen arbeiteten dort seit Jahren mit den Regierungen zusammen. Verfügbare Hilfsgüter wie Bettlaken, Medikamente oder Trockennahrung würden in den betroffenen Regionen sofort bereitgestellt. Allein für die internationalen Rotkreuz-Organisationen sind mehr als 10.000 einheimische Helfer im Katastrophengebiet im Einsatz. Aufwändigere Geräte zur Trinkwasseraufbereitung oder für die medizinische Versorgung folgen nach und nach.
Fischer: Spenden statt Böller
"Ein solches Ausmaß hat es zuvor noch nie gegeben", sagt die zuständige Leiterin der UN in Genf, Yvette Stevens. Dringend benötigt würden vor allem Wasseraufbereitungsanlagen und frisches Trinkwasser, um Seuchen zu verhindern. Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Föderation bat um Spenden von zunächst rund fünf Millionen Euro. Die Bundesregierung sagte zwei Millionen Euro zu. Außenminister Joschka Fischer rief die Deutschen dazu auf, statt Geld für Silvesterböller auszugeben, lieber eine Spende an die Hilfsorganisationen zu leisten. Die Europäische Union versprach drei Millionen Soforthilfe, aus den USA kommen elf Millionen Euro. Medienberichten zufolge bereiten Washington und die Weltbank ein weiteres Hilfspaket in Milliardenhöhe vor.
"Viele Milliarden Dollar"
Dabei handelt es sich allerdings nur um eine erste Soforthilfe: Das volle Ausmaß der Katastrophe werde vermutlich erst in einigen Wochen deutlich, erklärt UN-Koordinator Jan Egeland. Er schätzt, dass die Hilfsaktion die kostspieligste in der Geschichte der Weltorganisation wird. Nötig seien "viele Milliarden Dollar". Der Grund: Tausende Menschen seien in unterschiedlichen Regionen auf einmal von einer so verheerenden Katastrophe heimgesucht worden. Eine ähnliche Zerstörung hätte allenfalls der Hurrikan "Mitch" im Jahr 1998 in der Karibik angerichtet - die Weltbank bezifferte die Kosten seinerzeit auf rund fünf Milliarden Dollar.
Quelle Nr.3.
Dieser Beitrag wurde von Gereon am 28.12.2004, 17:55 Uhr editiert.
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